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Wartezeitkündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem schwerbehinderten Menschen nur nach vorangegangenem Präventionsverfahren?

von | 15. Aug 2024

Arbeitgeber aufgepasst: Es ergehen zunehmend erstinstanzliche Entscheidungen der Arbeitsgerichte, nach denen eine Kündigung eines schwerbehinderten Beschäftigten auch in der Probe- bzw. Wartezeit unwirksam sein kann, sofern zuvor kein sog. Präventionsverfahren durchgeführt wurde.

Das Arbeitsgericht Freiburg (Breisgau) hat mit Urteil vom 04.06.2024 (Az: 2 Ca 51/24) die Auffassung vertreten, dass Arbeitgeber auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses beim Auftreten von Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Menschen verpflichtet sein sollen, ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchzuführen. Ein Verstoß hiergegen soll eine verbotene Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung indizieren und zur Unwirksamkeit einer Wartezeitkündigung führen. So hatte dies zuletzt auch bereits das Arbeitsgericht Köln mit Urteil vom 20.12.2023 gesehen (Az: 18 Ca 3954/23).

Diese Entwicklung ist bemerkenswert und weicht auch von der bislang vorherrschenden Judikatur des Bundesarbeitsgerichts ab (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2016, Az: 8 AZR 402/14). Es stellt sich für die HR-Praxis u.a. die Frage, wie ein Arbeitgeber (insb. kurz vor dem Ende der Wartezeit von sechs Monaten) noch eine wirksame Wartezeitkündigung aussprechen können soll, wenn er noch zuvor ein auch zeitlich aufwändiges Präventionsverfahren, ggf. sogar unter Einschaltung des Integrationsamtes) durchführen muss.

Da zudem auch die Definition von „auftretenden Schwierigkeiten“ vom Arbeitsgericht Freiburg nach den nun veröffentlichten Urteilsgründen weit ausgelegt wird, ist im Grunde kaum eine Wartezeitkündigung ohne Präventionsverfahren noch rechtssicher umsetzbar.

Auch wenn der Schutz schwerbehinderter Beschäftigter vor Kündigung ein wichtiges und auch sinnvolles Anliegen im Arbeitsrecht ist, so erweist man der Chance auf Einstellung eines schwerbehinderten Bewerbers ggf. hiermit einen Bärendienst. Denn bislang scheuten Arbeitgeber meist nur selten das „Risiko“ einer Einstellung zumindest für die Probezeit. Die Herausnahme des besonderen Kündigungsschutzes aus der Probe- und Wartezeit ist in ihrem Kern nämlich eine Maßnahme der Beschäftigungsförderung für schwerbehinderte Menschen.

Die Berufung wurde vom Arbeitsgericht Freiburg ausdrücklich zugelassen, was ggf. zu einer weiteren Konkretisierung durch die Landesarbeitsgerichte in den nächsten Monaten führen wird. Dies sollte von Personalverantwortlichen im Blick behalten werden.

Autor dieses beitrags und

Ansprechpartner

Florian Christ

Florian Christ

Partner
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht

christ@pbc-legal.de
Luisa Victoria Jeck

Luisa Victoria Jeck

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

jeck@pbc-legal.de