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Keine Zahlungspflicht eines Verbrauchers bei Widerruf nach Vertragserfüllung
Das Gesetz gewährt bei verschiedenen Vertragstypen einem Verbraucher ein Widerrufsrecht, worüber ein Unternehmen ordnungsgemäß belehren muss. So besteht beispielsweise ein Widerrufsrecht für einen Verbraucher bei einem Vertrag, der außerhalb von Geschäftsräumen zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen geschlossen wird. Wenn der Verbraucher nicht vor Vertragsschluss eines solchen Vertrages von einem Unternehmer ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wurden, müssen sie selbst nach Vertragserfüllung nicht zahlen, wenn sie den Vertrag fristgerecht widerrufen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) jüngst in einem praxisrelevanten Urteil (Urteil vom 17.05.2023, Az. C-97/22).
In dem zur Beurteilung stehenden Fall ging es um einen Verbraucher, der mit einem Unternehmen einen Vertag außerhalb von Geschäftsräumen über die Erneuerung der Elektronik in seinem Haus schloss. Nachdem das Unternehmen seine Leistung vollständig erbracht hat, forderte das Unternehmen den Verbraucher zur vereinbarten Zahlung auf. Der Verbraucher widerrief jedoch überraschend den Vertrag und verweigerte die Zahlung mit der Argumentation, dass das Unternehmen ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe.
Der EuGH entschied, dass der Verbraucher trotz Vertragserfüllung keine Zahlung an das Unternehmen leisten müsse, da eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht durch das Unternehmen fehlte. Seine Entscheidung stützte der EuGH zugunsten des Verbrauchers damit, dass im Rahmen der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU) stets ein hohes Verbraucherschutzniveau sichergestellt werden müsse.
Der Verbraucher sei somit insbesondere außerhalb von Geschäftsräumen zu schützen und müsse die Entscheidung eines Vertragsschlusses in Kenntnis der Sachlage treffen können.
Außerhalb von Geschäftsräumen stehe der Verbraucher jedoch möglicherweise psychisch stärker unter Druck als innerhalb, oder sei einem Überraschungsmoment ausgesetzt, womit die Information über das Widerrufsrecht zentrale Bedeutung für ihn gewinne.
Demnach sei der Verbraucher von der Vergütung der Leistungen im Rahmen eines mit einem Unternehmer geschlossenen Vertrages befreit, wenn er sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübe und zuvor nicht vom Unternehmer auf dieses Recht ordnungsgemäß hingewiesen wurde.
Der Unternehmer müsse somit die Kosten, die ihm durch die Vertragserfüllung entstanden sind, selbst tragen.
Durch das Urteil des EuGH wird erneut deutlich, dass sich vor allem Unternehmer, die ihre Dienstleistungen bei Haustürgeschäften außerhalb der klassischen Geschäftsräume oder im Fernabsatz, beispielsweise online oder telefonisch, anbieten, der Rolle der Rahmenbedingungen ihrer Verträge und dabei insbesondere ihrer Aufklärungspflicht über den Verbraucherwiderruf bewusst sein sollten.
PBC legal takeaways: Das EuGH-Urteil verdeutlicht das hohe Verbraucherschutzniveau des Widerrufsrechts. Das Widerrufsrecht besteht für einen Verbraucher sogar nach Vertragserfüllung. Wer als Unternehmer seiner Informationspflicht zum Widerruf hingegen nicht ordnungsgemäß nachkommt, muss damit rechnen, dass Verbraucher für bereits geleistete Dienstleistungen nicht aufkommen müssen – selbst, wenn diese bereits vollständig geleistet wurden.
Auch sollte bedacht werden, dass sich die Widerrufsfrist des Verbrauchers auf ein Jahr und 14 Tage ausdehnt, wenn er zuvor nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde.
Verträge und Geschäftspraktiken sollten daher sorgfältig überprüft und ggf. entsprechend angepasst werden, um größere finanzielle Verluste, auch nach Ablauf der 14-Tages-Frist, zu vermeiden.
Gerne helfen wir Ihnen mit der Überprüfung Ihrer Verträge und der rechtzeitigen Widerrufsbelehrung gegenüber Verbrauchern weiter.
Autor dieses beitrags und
Ansprechpartner
Holger Praetorius
Partner
Rechtsanwalt | FACHANWALT FÜR HANDELS- & GESELLSCHAFTSRECHT
Darja Malinovski
Rechtsanwältin
Dr. Philipp Bollacher
Partner
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht
Alex Christopher Focken
Rechtsanwalt