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Abstimmung im Umlaufverfahren – Keine Korrektur und kein Widerruf möglich

von | 20. Nov 2023

Die Abstimmung im Umlaufverfahren ist eine beliebte Form der Beschlussfassung. Bei Einstimmigkeit wird dabei regelmäßig auf „alle Formen und Fristen“ verzichtet und ein rechtssicher wirksamer Beschluss gefasst. Besteht keine solche Einigkeit, kann das Umlaufverfahren aber mit dem Nachteil verbunden sein, dass anders als bei virtuellen oder Präsenzabstimmungen kein Meinungs- oder Stimmungsbild im Rahmen einer Diskussion oder einer Probeabstimmung erhoben werden kann. Ferner können sich rechtliche Herausforderungen bei der Durchführung des Abstimmungsverfahrens stellen: Ohne ausdrückliche Regelungen im Gesellschaftsvertrag kann fraglich sein, wer die Entscheidung über die Art der Abstimmung treffen darf (zB wenn ein Gesellschafter oder ein Co-Geschäftsführer eine physische Gesellschafterversammlung fordert), wie lange die Zeit für die Stimmabgabe zu bemessen ist, bei wem die Stimmabgaben zugehen müssen, ob Gesellschaftern rechtliches Gehör zu den Beschlussgegenstanden geboten werden muss (und wie) und ob eine Ergebnisfeststellung erfolgen muss (und durch wen).

Mit einer weiteren Frage musste sich das OLG München beschäftigen: Kann ein Gesellschafter seine Stimmabgabe innerhalb der Frist zur Stimmabgabe korrigieren oder widerrufen? Im entschiedenen Fall hatten drei Gesellschafter zunächst jeweils eine Ja-Stimme übermittelt und damit einem bestimmten Immobilienverkauf zugestimmt. Nachdem sie allerdings ein anderes Angebot erhalten hatten, haben sie die Ja-Stimme jeweils noch vor Fristablauf der Abstimmung widerrufen und eine Nein-Stimme übermittelt. Bei der Abstimmung war einer Mehrheit mit 75% der Stimmen erforderlich und diese war nur gewahrt, wenn alle Stimmen der drei Gesellschafter mit „Ja“ gewertet werden konnten. In dem– noch nicht rechtskräftigen – Urteil vom 5.4.2023 (Az.:7 U 6538/20) hat das OLG München dies bejaht und den Widerruf und die anschließenden Nein-Stimmen nicht zugelassen. Entscheidend ist für das OLG München, dass die ursprünglich abgegebenen Ja-Stimmen dem Empfänger bereits zugegangen waren, als die in Nein geänderten Stimmen zugingen:

Eine Willenserklärung wird gem. § 130 Abs. 1 BGB zu dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Zugegangen ist eine Willenserklärung, die unter Abwesenden abgegeben wird, in dem Moment, in dem sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen, eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich. Eine Willenserklärung wird nur dann nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Ein Widerruf nach Zugang kann die Wirksamkeit der Willenserklärung nicht beseitigen.

Für das OLG München ist die Stimmabgabe in einer Abstimmung eine Willenserklärung iSd § 130 Abs. 1 BGB. Empfänger für den Zugang einer Stimmerklärung sei der Versammlungsleiter, der die Gesellschaft in der Beschlussfassung vertrete. Deshalb verneint das OLG München eine freie Widerrufbarkeit einer einmal abgegebenen und dem Erklärungsempfänger zugegangenen Stimme. Im Fall des OLG München haben die drei Nein-Stimmen den Machtbereich des Versammlungsleiters erst nach Zugang der Ja-Stimmen erreicht. Es kam nicht darauf an, ob der Versammlungsleiter die Ja-Stimmen auch bereits vorher zur Kenntnis genommen hatte (was wahrscheinlich nicht der Fall, da die Stimme einmal nach Ende der Stimmabgabefrist aufgezählt wurden).

Dass die eine zugegangene Stimmerklärung nicht mehr widerrufen werden kann, gilt nach dem OLG München ausdrücklich unabhängig davon, ob ein wichtiger Grund für die Änderung des Abstimmungsverhaltens vorliegt. Das OLG München sieht keine Notwendigkeit für eine Widerrufbarkeit der Stimmabgabe nach Zugang bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Stimmänderung. Den Interessen der einzelnen Gesellschafter sei durch die Möglichkeit der späteren Anfechtbarkeit ihrer Stimme hinreichend Genüge getan. Sollte sich die Tatsachengrundlage nach Abgabe der Stimme geändert haben, bliebe es den Gesellschaftern unbenommen, den gefassten Beschluss abzuändern.

Ein Widerruf einer Stimmabgabe nach Zugang beim Erklärungsempfänger ist damit grundsätzlich nicht mehr möglich. Nach dem OLG München gilt dies bei jeglichen gesellschaftsrechtlichen Abstimmungen und unabhängig davon, ob die Stimme in einer Wohnungseigentümerversammlung oder in einer Gesellschafterversammlung abgegeben wird.

PBC legal takeaways: Es bleibt zwar abzuwarten, wie sich der Bundesgerichtshof zu der Frage positioniert, da nach unserer Kenntnis ein Revisionsverfahren läuft. Vorläufig sollte allerdings davon ausgegangen werden, dass eine im Umlaufverfahren abgegebene und beim Versammlungsleiter zugegangene Stimmerklärung endgültig ist und nicht korrigiert oder widerrufen werden kann. Dies gilt wohl grundsätzlich auch dann, wenn sich Umstände im Laufe des Abstimmungsverfahrens ändern. Dies macht es ratsam, die eigene Stimme im Umlaufverfahren erst dann abzugeben, wenn ein Meinungswechsel sicher ausgeschlossen werden kann. Alternativ müsste im jeweiligen Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vereinbart werden, dass die Änderung einer bereits abgegebenen Stimmerklärung bis zum Ende des Umlaufverfahrens möglich ist. Eine solche Klausel wäre vom Versammlungsleiter und auch vom BGH zu beachten.

Autor dieses beitrags und

Ansprechpartner 

Dr. Philipp Bollacher

Dr. Philipp Bollacher

Partner
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Handels- & Gesellschaftsrecht

bollacher@pbc-legal.de